Immobilienmärkte unter Druck – und im Wandel
Die europäische Immobilienlandschaft steht seit der Zinswende der Europäischen Zentralbank und der anhaltend hohen Inflation unter einem strukturellen Anpassungsdruck. Das Ende der ultralockeren Geldpolitik hat Finanzierungskosten in die Höhe getrieben und Projektentwicklungen vielerorts ins Stocken gebracht. Gleichzeitig wirken geopolitische Unsicherheiten, volatile Baukosten und konjunkturelle Eintrübungen belastend. Dennoch zeigt sich: Inmitten der Krise behaupten sich bestimmte Immobilienmärkte überraschend robust. Sie bieten Stabilität, Inflationsschutz und in Teilen sogar Wachstumsperspektiven.
Investoren mit langfristigem Anlagehorizont und Fokus auf Werterhalt richten ihren Blick zunehmend auf jene Märkte, die durch strukturelle Nachfrage, politische Stabilität und hohe Mietdynamik charakterisiert sind. Gerade in einem Umfeld verschärfter Kreditvergabe und sinkender Transaktionszahlen trennt sich die Spreu vom Weizen.
Warum Sachwerte trotz Zinsanstieg gefragt bleiben
Immobilien gelten traditionell als inflationssichere Anlageklasse. Ihre Fähigkeit, regelmäßige Einkünfte durch indexierte Mietverträge zu generieren, macht sie zu einem bevorzugten Instrument institutioneller Investoren, Versicherungen und Pensionsfonds. Zwar ist der kurzfristige Druck durch gestiegene Kapitalmarktzinsen nicht zu leugnen, doch mittel- bis langfristig bleibt das Narrativ intakt: Boden ist nicht vermehrbar, und urbaner Wohnraum bleibt in weiten Teilen Europas knapp.
Ein zusätzlicher Faktor ist die fehlende Attraktivität alternativer Anlageformen. Trotz höherer Zinsen bleiben Realrenditen bei Anleihen vieler Länder im negativen Bereich. Aktienmärkte zeigen sich nervös angesichts globaler Unsicherheiten. In dieser Gemengelage gewinnen defensive Immobilienstandorte mit stabiler Nachfrage an Bedeutung.
Portugal und Spanien: Stabile Nachfrage trotz Unsicherheiten
Sowohl Portugal als auch Spanien zählen zu den Gewinnern der letzten Jahre im Segment internationaler Wohnimmobilieninvestments. In Lissabon, Porto, Málaga und Valencia stiegen die Kaufpreise selbst 2024 trotz Zinsanstieg weiter an. Getragen wurde dieser Trend durch internationale Käufer, digitale Nomaden sowie Rentner, die von den vergleichsweise günstigen Lebenshaltungskosten und milden Steuerregimen profitieren.
Zudem bleibt der lokale Mietmarkt angespannt. In Lissabon etwa übersteigt die Nachfrage das Angebot teils um das Dreifache. Mietrenditen zwischen 4 und 6 Prozent netto sind bei professionellem Management realistisch. Städte mit Universitäten, guter digitaler Infrastruktur und wachsender Startup-Szene bieten besonders attraktive Perspektiven für Buy-to-Let-Strategien.
Polen und Rumänien: Unterschätzte Wachstumsmärkte mit Potenzial
Während sich viele Investoren auf etablierte Märkte konzentrieren, bieten aufstrebende Länder wie Polen oder Rumänien bemerkenswerte Chancen. Warschau, Krakau und Bukarest verzeichnen ein starkes Bevölkerungswachstum, verbunden mit einem strukturellen Wohnungsmangel. Gleichzeitig steigen Einkommen, insbesondere in urbanen Mittelschichten, was zu einer erhöhten Zahlungsbereitschaft auf dem Mietmarkt führt.
Die Baukosten sind im Vergleich zu Westeuropa moderat, ebenso wie Einstiegspreise pro Quadratmeter. Internationale Unternehmen siedeln sich zunehmend in diesen Metropolen an, was die Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum weiter verstärkt. Zwar bestehen politische und rechtliche Risiken, doch die marktwirtschaftliche Dynamik dieser Regionen bleibt ungebrochen.
Frankreich und Deutschland: Selektive Chancen in gesättigten Märkten
In Frankreich und Deutschland zeigt sich der Immobilienmarkt differenziert. Während ländliche Regionen und teure Neubauprojekte unter Druck stehen, stabilisieren sich die Preise in urbanen Zentren wie Paris, Lyon, Berlin oder Leipzig. Die Nachfrage nach Mietwohnungen bleibt hoch, insbesondere im bezahlbaren Segment.
In Deutschland führen die restriktiven Neubauzahlen der letzten Jahre zu einer Verschärfung der Angebotslage. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung rechnet bis 2030 mit einem jährlichen Bedarf von über 400.000 Wohnungen – tatsächlich fertiggestellt werden derzeit weniger als 300.000. Investoren, die in energetisch sanierte Bestandsimmobilien mit effizienter Grundrissstruktur investieren, können hier weiterhin solide Erträge erzielen.
Paris bleibt ein Sonderfall: Trotz hoher Einstiegskosten überzeugt die französische Hauptstadt durch eine extrem niedrige Leerstandsquote, touristische Attraktivität und politische Stabilität. Kurzzeitvermietung ist reguliert, was institutionellen Anbietern Vorteile verschafft.
ESG-Kriterien und Regulatorik als Standortfaktor
Ein wachsender Einflussfaktor bei der Wahl des Investitionsstandortes ist die regulatorische Komplexität in Bezug auf Nachhaltigkeitsanforderungen. Länder wie Schweden oder die Niederlande setzen bereits strenge CO₂-Grenzwerte für Gebäude um, was die Sanierungskosten in die Höhe treibt. In anderen Märkten ist der regulatorische Rahmen noch weniger stark ausgeprägt, was Investoren temporär Spielräume eröffnet, langfristig jedoch zusätzliche Unsicherheiten birgt.
Der Trend geht klar in Richtung ESG-konformer Assets. Nachhaltige Gebäude mit zertifizierten Standards (z. B. BREEAM, LEED) lassen sich nicht nur besser finanzieren, sondern erzielen auch höhere Verkaufspreise und geringere Leerstandsraten. Gerade institutionelle Käufer richten ihre Anlagestrategie zunehmend nach EU-Taxonomie und ESG-Reporting aus.
Strategien für Anleger in einem fragmentierten Markt
Die aktuellen Marktverwerfungen eröffnen gezielte Einstiegschancen, erfordern jedoch ein differenziertes Vorgehen. Pauschale Renditeerwartungen weichen einer standortspezifischen Analyse, die neben wirtschaftlichen Kennzahlen auch politische Stabilität, regulatorische Rahmenbedingungen und lokale Wohntrends einbezieht.
Ein erfolgreicher Investmentansatz in Krisenzeiten setzt auf langfristige Perspektiven, Diversifikation und eine Kombination aus Core-Objekten mit stabilen Cashflows sowie opportunistischen Investments in aufstrebenden Regionen. Wer frühzeitig in qualitativ hochwertige Objekte mit modernem Energiestandard investiert, kann nicht nur resilient gegenüber Marktschwankungen bleiben, sondern von einer Erholung des Immobilienmarktes überdurchschnittlich profitieren.