Zwischen Leerstand und Nachfrageboom: Warum Mittelstädte zum neuen Hotspot für Wohnimmobilien werden

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Der Paradigmenwechsel im Wohnverhalten

Die langjährige Dominanz der Metropolen auf dem Wohnimmobilienmarkt verliert an Strahlkraft. Zwar bleiben Städte wie München, Berlin oder Hamburg bedeutende Zentren, doch die Wachstumsdynamik verschiebt sich zunehmend in Richtung mittelgroßer Städte. Der Trend zur Dezentralisierung, beschleunigt durch die Digitalisierung der Arbeitswelt, hat das Wohnen in Mittelzentren neu definiert. Regionen mit 50.000 bis 250.000 Einwohnern entwickeln sich zu gefragten Alternativen – nicht nur für Familien, sondern auch für Kapitalanleger, Entwickler und städtische Planer.

Treiber dieser Entwicklung ist nicht zuletzt die breite Etablierung von Homeoffice-Modellen. Was noch vor wenigen Jahren als Ausnahme galt, ist inzwischen Teil des Alltags vieler Angestellter. Die Folge: Die Wohnortwahl orientiert sich nicht mehr primär an der Nähe zur Unternehmenszentrale, sondern an Lebensqualität, Wohnkosten und urbaner Erreichbarkeit. Mittelstädte, die früher im Schatten der Metropolen standen, gewinnen dadurch deutlich an Attraktivität.

Wohnkosten und Lebensqualität als Standortvorteil

Ein zentrales Argument für den Zuzug in Mittelstädte sind die deutlich niedrigeren Wohnkosten. Während Kaufpreise und Mieten in den A-Städten vielerorts kaum noch finanzierbar sind, bieten Städte wie Ulm, Jena oder Heilbronn ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. Laut Zahlen des Immobilienportals immowelt lag der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen in München im Jahr 2024 bei rund 9.800 Euro, in Jena hingegen bei rund 3.400 Euro. Diese Diskrepanz ermöglicht breiteren Bevölkerungsschichten den Erwerb von Wohneigentum oder größere Wohnflächen zur Miete.

Hinzu kommt die hohe Lebensqualität: Gute Nahversorgung, kurze Wege, intakte soziale Strukturen und ein wachsendes kulturelles Angebot machen Mittelstädte besonders für Familien und die Generation der „Neuen Provinzler“ attraktiv. Begrünte Innenstädte, Stadtparks, Fahrradinfrastruktur und moderne Bildungseinrichtungen sind in vielen dieser Städte mittlerweile Standard. Gerade jüngere Menschen suchen vermehrt nach einem „urbanen Lebensgefühl“ ohne die Belastungen der Großstadt.

Dezentralisierung durch Digitalisierung

Die Digitalisierung verändert die Geografie des Wohnens grundlegend. Der strukturierte Ausbau von Glasfaseranschlüssen, Co-Working-Spaces und digitalen Verwaltungslösungen ermöglicht es, auch außerhalb der Ballungsräume effizient zu arbeiten. Unternehmen folgen dieser Entwicklung zunehmend und öffnen sich für hybride Arbeitsmodelle oder dezentrale Standorte. Damit wachsen die Chancen für Wohnlagen, die zuvor als peripher galten.

Beispiel Jena: Die Universitätsstadt in Thüringen kombiniert exzellente Breitbandversorgung mit einer starken Wissenschafts- und Forschungslandschaft. Viele Start-ups und Technologiebetriebe siedeln sich dort gezielt an, weil qualifizierte Arbeitskräfte verfügbar sind und sich innovative Projekte mit Lebensqualität verbinden lassen. In der Folge ziehen auch Fachkräfte aus anderen Regionen gezielt in die Stadt – ein starker Impuls für den Wohnungsmarkt.

Stadtentwicklungsstrategien als Erfolgsfaktor

Viele Mittelstädte haben die Zeichen der Zeit erkannt und investieren gezielt in städtebauliche Konzepte, um attraktiv für Zuzug und Kapital zu werden. Heilbronn etwa setzte mit der Bundesgartenschau 2019 ein starkes Signal, indem ganze Quartiere neu erschlossen, durchgrünt und nachhaltig konzipiert wurden. Das Areal „Neckarbogen“ vereint Wohnen, Arbeiten und Freizeit in einem zukunftsorientierten Stadtviertel mit Fokus auf Klimaschutz und Energieeffizienz.

In Ulm wird seit Jahren in eine kompakte Stadtentwicklung investiert, bei der Nachverdichtung, Mobilitätswende und sozial durchmischte Quartiere zentrale Rollen spielen. Die Innenstadt wird bewusst als Wohnstandort aufgewertet, Leerstand in Büroimmobilien gezielt in Wohnraum überführt. Parallel laufen Förderprogramme zur energetischen Sanierung des Bestands.

Zudem greifen zahlreiche Städte auf Mittel aus Bundes- und Landesförderungen zurück. Programme wie „Starke Städte“ oder die KfW-Förderung für quartiersbezogene Infrastrukturprojekte ermöglichen gezielte Investitionen in Schulbauten, Nahverkehr, Klimaanpassung und kommunale Wohnraumförderung.

Leerstand als Potenzial, nicht als Makel

Trotz wachsender Nachfrage führen viele Mittelstädte noch Leerstand in einzelnen Stadtteilen. Was auf den ersten Blick als Schwäche erscheint, kann gezielt als Ressource genutzt werden. Die strategische Umwandlung leerstehender Gebäude – etwa ehemaliger Kasernen, Gewerbehallen oder Verwaltungsbauten – in Wohnraum birgt enormes Potenzial. In Verbindung mit flexiblen Nutzungsformen, etwa für Mehrgenerationenwohnen, Mikroapartments oder betreutes Wohnen, entstehen neue Impulse für den lokalen Immobilienmarkt.

Zudem lässt sich durch innovative Baukonzepte – wie modulares Bauen oder serielle Sanierung – selbst schwer vermarktbarer Bestand kosteneffizient in marktfähigen Wohnraum transformieren. So werden städtebauliche Brachen zu lebendigen Quartieren, die Nachfrage und Angebot wieder in Einklang bringen.

Investitionspotenziale für private und institutionelle Anleger

Auch für Kapitalanleger sind Mittelstädte inzwischen mehr als ein Ausweichmarkt. Die Mietrenditen sind in vielen Fällen höher als in den überteuerten Metropolen, das Leerstandsrisiko bleibt bei richtiger Standortwahl überschaubar. Gleichzeitig profitieren Investoren von günstigeren Einstiegspreisen, geringeren Baulandkosten und häufig kooperationsbereiten Verwaltungen.

Nicht zuletzt wird der soziale Druck auf den Mietmarkt in Großstädten politische Maßnahmen weiter verschärfen – etwa Mietendeckel, Umwandlungsverbote oder Genehmigungspflichten. Mittelstädte bieten hier größere regulatorische Freiheit und langfristig planbare Rahmenbedingungen.

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