Europas Wohnungsmarkt im Umbruch

Europas Wohnungsmarkt im Umbruch - QuartierX Bericht

Wie Frankreich, Spanien und die Niederlande auf die Krise reagieren – und was Deutschland lernen kann

Panoramablick auf die europäischen Immobilienmärkte

Während in Deutschland der Wohnungsbau schwächelt, Zinsen stagnieren und die Nachfrage den Markt zunehmend überfordert, richten sich viele Blicke auf die Nachbarländer. Denn Europas Immobilienmärkte sind zwar von ähnlichen Ausgangslagen geprägt – etwa durch gestiegene Baukosten, energetische Sanierungsanforderungen und Migrationstrends – doch die politischen Reaktionen, Investitionsanreize und Marktstrategien unterscheiden sich erheblich. Ein Blick nach Frankreich, Spanien und in die Niederlande offenbart überraschende Entwicklungen und stellt die deutsche Debatte über Neubau und Bestand in einen größeren Kontext.

Frankreich: Regulierung und soziale Durchmischung als Leitmotiv

In Frankreich ist der Wohnungsmarkt traditionell stark reguliert, insbesondere in den städtischen Ballungsräumen wie Paris, Lyon oder Marseille. Seit 2023 gilt dort ein verschärftes Mietpreisregime in besonders angespannten Zonen. Gleichzeitig wurden Fördermaßnahmen für die energetische Sanierung massiv ausgeweitet. Die französische Regierung setzt gezielt auf die „Rénovation énergétique“, bei der Eigentümer Zuschüsse für Dämmung, Fenster, Heizsysteme und Photovoltaik erhalten – verbunden mit der Pflicht, bei Vermietung bestimmte Energieklassen nachzuweisen.

Das Programm „MaPrimeRénov’“ wurde 2024 weiter aufgestockt, mit einem Fokus auf die thermische Sanierung von Mietwohnungen im unteren Preissegment. Der soziale Wohnungsbau – traditionell durch sogenannte HLM (Habitations à loyer modéré) organisiert – wird durch kommunale Quoten weiter gestärkt. In Städten wie Bordeaux oder Nantes ist der Anteil öffentlich geförderter Wohnungen auf über 20 % gestiegen. Frankreich begegnet damit der Nachfragekrise nicht primär mit Neubau, sondern mit einer besseren Nutzung und Sanierung des Bestands.

Spanien: Vom Käufer- zum Mietermarkt?

Spaniens Immobilienmarkt hatte sich nach der Finanzkrise 2008 nur zögerlich erholt. Seit der Pandemie verzeichnet das Land jedoch einen deutlichen Strukturwandel. Die Städte Madrid, Valencia und Barcelona erleben einen Boom bei Mietwohnungen – angetrieben durch junge Haushalte, ausländische Fachkräfte und den Trend zur städtischen Verdichtung. Gleichzeitig steigen die Kaufpreise, insbesondere in Küstenregionen, wieder spürbar.

Die spanische Regierung hat 2023 ein umfassendes Wohnpaket verabschiedet, das unter anderem Steuervergünstigungen für den Mietwohnungsbau, ein neues Mietrecht mit gedeckelten Mietsteigerungen und stärkere Rechte für Mieter beinhaltet. Besonders bemerkenswert: In Regionen wie Katalonien dürfen institutionelle Eigentümer leerstehende Wohnungen unter bestimmten Bedingungen zwangsvermieten lassen – ein Novum in Europa.

Auch Investoren reagieren: Große Projektentwickler wie Neinor Homes und Metrovacesa verlagern ihre Strategien zunehmend auf sogenannte „Build-to-Rent“-Modelle, die gezielt auf die wachsende Mieterklientel ausgerichtet sind. Spanien könnte mittelfristig vom traditionellen Eigentumsmodell abrücken und sich dem nordeuropäischen Mietmarktmodell annähern.

Niederlande: Wohnungsnot trifft auf Flächenkonflikte

Kaum ein Land in Europa diskutiert so intensiv über Flächenverteilung wie die Niederlande. Angesichts des steigenden Wohnraumbedarfs – insbesondere im urbanen Randstad-Gebiet mit Städten wie Amsterdam, Rotterdam und Utrecht – prallen Wohnbauinteressen auf Naturschutz, Agrarflächen und Mobilitätsinfrastruktur. Der Nationale Wohnungsplan sieht bis 2030 rund 900.000 neue Wohnungen vor, davon 30 % im geförderten Segment.

Doch das ambitionierte Ziel stößt auf Widerstände: Proteste von Landwirten, juristische Klagen gegen Neubauprojekte und lokale Partikularinteressen bremsen den Fortschritt. Hinzu kommt, dass die Baukosten 2024 nochmals um 7 % gestiegen sind. Dennoch setzt die niederländische Regierung auf Geschwindigkeit: Seit 2022 können bestimmte Bauvorhaben mit „Fast-Track“-Verfahren genehmigt werden, wenn sie bestimmten Nachhaltigkeits- und Sozialkriterien genügen.

Ein interessanter Trend: Die Integration von modularen und zirkulären Bauweisen. Projekte wie „The Floating Office Rotterdam“ oder die „Super Circular Estate“ in Kerkrade zeigen, wie zukunftsfähiger Wohnbau unter Raumknappheit funktioniert. Die Niederlande positionieren sich so als Labor für nachhaltiges urbanes Wohnen.

Deutschland im europäischen Vergleich

Vergleicht man diese Entwicklungen mit der deutschen Situation, fällt auf: Während in Frankreich und den Niederlanden der Bestand deutlich stärker in die Strategien eingebunden wird, konzentriert sich Deutschland weiterhin auf den Neubau als Allheilmittel. Auch bei der Frage nach Mietpreisregulierung und sozialem Wohnungsbau hinkt die Bundesrepublik hinterher: Die Quote geförderter Wohnungen liegt in den meisten Bundesländern unter 5 %, in vielen Regionen wird sogar abgebaut statt ausgebaut.

Zwar existiert mit dem „Bauüberhang“ ein erhebliches Potenzial ungenutzter Baugenehmigungen, doch weder die fiskalische Steuerung über Zinsanreize noch die Vereinfachung von Bauverfahren kommt spürbar voran. Die Debatte über ein „Recht auf Wohnen“ wird zwar lauter, doch gesetzgeberisch hat sich bisher wenig verändert. Auch das neue „Wachstumschancengesetz“ bietet kaum konkrete Impulse für den Mietwohnungsmarkt.

Ein weiteres Manko: Die mangelnde strategische Verzahnung zwischen Wohnungspolitik, Klimapolitik und Regionalentwicklung. Während Frankreich und die Niederlande gezielt Sanierung, Energieeffizienz und soziale Wohnraumversorgung kombinieren, bleibt Deutschland im sektoralen Denken gefangen.

Wohin sich Investoren orientieren

Für Investoren ergibt sich daraus ein differenziertes Bild. Während Deutschland lange als sicherer Hafen galt, gewinnen derzeit andere Märkte an Attraktivität – nicht zuletzt durch verlässlichere Regulierungen und wachstumsorientierte Wohnungspolitik. Spanien bietet mit seiner neuen Mietorientierung ein interessantes Feld für institutionelle Anleger, die auf langfristige Renditen durch Mietmodelle setzen. In Frankreich wiederum steht der Bestand im Fokus, mit hoher Förderung und klaren Sanierungszielen. Die Niederlande punkten durch Innovationskraft und Geschwindigkeit, trotz politischer Reibung.

Das bedeutet nicht, dass Deutschland unattraktiv geworden ist – doch das Land muss sich im europäischen Wettbewerb neu positionieren. Denn während viele Nachbarn längst in systemischen Lösungen denken, ringt Deutschland weiterhin um eine kohärente Linie zwischen Ziel und Umsetzung.

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